Besuch aus Thann

In der Woche vom 26. bis zum 30. April 2010 hatte ich und damit auch meine Ausbildungsabteilung einen ganz besonderen Gast. Es handelte sich dabei um Laura, eine 19jährige Französin aus Thann. Im Rahmen des Austauschprogrammes unserer Schulen, die Partnerschulen sind, haben wir uns kennen gelernt. Wir waren uns sofort sympathisch, als wir uns beim ersten „Beschnupper“-Termin im November 2009 in Schopfheim kennen lernten. Beim Gegenbesuch in Thann im Februar 2010 war uns dann klar, dass wir uns gerne gegenseitig besuchen wollten. Was bei ihrem Besuch bei mir zuhause so herauskam, möchte ich euch gern erzählen.

Laura besucht in Thann eine Vollzeitschule, nach deren Abschluss sie direkt zur Arbeit übergehen kann, ohne eine Ausbildung zu machen. Von dieser Schule aus wird es sehr begrüßt, wenn Schüler Praktikas machen. Ein Praktikum in Deutschland macht sich besonders auch in späteren Bewerbungen sehr gut.

Zu der Zeit des Besuches war ich gerade in der Einkaufsabteilung von Endress+Hauser. Zu meiner großen Freude wurde meinem Wunsch, Laura in „meine“ Abteilung mitnehmen zu dürfen, so gleich entsprochen. Ansonsten hätte sie in einer anderen Abteilung untergebracht werden müssen. So waren wir gemeinsam in einer Abteilung beschäftigt und ich konnte ihr mit den deutschen Begriffen etwas weiterhelfen.

Der erste Tag war sowohl für Laura als auch für mich sehr spannend. Für mich war es wichtig, dass sie nicht nur eine Abteilung von Endress+Hauser sieht, sondern auch einen Gesamteindruck bekommt – sozusagen „inside blue“ ist. Nach Absprache mit meiner Ausbilderin wagte ich mich an eine französische Firmenführung heran. Es war nicht immer einfach, die richtigen Begriffe zu finden – besonders in der Produktion! Laura versicherte mir allerdings, sie habe eine Menge verstanden und war sichtlich beeindruckt von der Größe des Betriebes. Nach der Führung gingen wir dann zurück in die Abteilung. Dort bekam Laura auch einen eigenen Arbeitsplatz. Zusammen machten wir einige einfache Aufgaben, die ich ihr gut erklären konnte wie z.B. die Postverteilung und die Ablage von Lieferscheinen. Nun wurde es richtig knifflig: ich versuchte, ihr die Aufgabengebiete der Abteilung genauer zu erklären! Mithilfe von www.leo.org klappte es schlussendlich doch ganz gut. Um ihr die Firma Endress+Hauser noch näher zu bringen, kam ich ihr Firmenbroschüren auf Deutsch und Englisch, die sie sich interessiert anschaute und versuchte, sich das meiste zu übersetzen.

Am zweiten Tag war Laura dann zusammen mit mir in der Berufsschule. In den Unterrichtsfächern Betriebswirtschaftslehre und Steuerung/Kontrolle verstand Laura nur sehr wenig; in Deutsch und Englisch schon etwas mehr. Es war wirklich eine Herausforderung, zu lernen und gleichzeitig zu dolmetschen. Die Lehrer waren sehr freundlich zu Laura, aber nach 8 Schulstunden war diese dann doch ziemlich erledigt. Sie freute sich mehr auf den nächsten Tag im Betrieb, denn die praktische Arbeit hatte es ihr ebenso angetan wie mir.

In den folgenden zwei Tagen waren Laura und ich im Betrieb tätig. Zu meinem großen Glück war in der Einkaufsabteilung eine gebürtige Französin, die Laura einige wichtige Module in unseren Betriebssystem (SAP) erklärte. Das hätte meine Möglichkeiten dann doch etwas überstiegen! Anschließend durfte sie auch selbstständig, d.h. ohne mich, im SAP arbeiten. Ich war richtig stolz darauf, wie fleißig „meine“ Laura im Betrieb mitarbeitete!

Am Freitagmorgen gingen Laura und ich noch einmal gemeinsam in die Berufsschule. Weil ich in den ersten zwei Stunden eine Arbeit schrieb, wurde Laura in eine andere Klasse geschickt. An meiner Berufsschule in Schopfheim gibt es auch das Berufskolleg Fremdsprachen. Sie durfte in einer Klasse, in der Französisch unterrichtet wird, den Unterricht gestalten, in dem sie sich vorstellte, sich die französischen Vorstellungen der Schüler anhörte und Verbesserungsvorschläge gab. Dann beantwortete sie noch französische Fragen, bis ich sie schließlich wieder ausfindig machte und zurück in unsere Klasse brachte. Nach der Schule waren wir dann noch im Betrieb, wo sie gegen 14:00 Uhr von ihrem Vater abgeholt wurde. Da gab es noch mal Küsschen links, Küsschen rechts und eine dicke Umarmung, und schon war Laura verschwunden.

Während der Arbeit und auch im privaten Bereich notierten Laura und ich die Vokabeln, die wir in unserer Unterhaltung gebraucht und nicht gewusst hatten. So erstellten wir eine ganze Vokabelliste. Da standen dann Begriffe wie „Auftragsbestätigung“ (= confirmation de commande) neben „der Liebe auf den ersten Blick“ (= le coup de foudre). Es war immer sehr witzig, sich zu unterhalten. Wenn ein Wort fehlte, versuchten wir uns an fantasievollen Umschreibungen oder ausgefallenen Gesten. Letztendlich konnten wir uns doch so gut verständigen, dass wir richtige Partner wurden. Auch meine Familienangehörigen, die zum großen Teil kein Französisch können, mochten Laura gern.

Natürlich ist es aufregend, wenn jemand, der die eigene Sprache nur wenig spricht, und den man eigentlich gar nicht gut kennt, eine Woche bei einem zuhause wohnt! Würde sie meine Familie mögen? Würden wir uns gut verstehen? Würde ihr das Essen schmecken? Wie konnte ich die Abende so gestalten, dass sie sich wohl fühlte? Aber ich hätte mir keine Sorgen machen müssen. Schon bald fand ich ihre Vorlieben heraus, z.B. dass sie zum Essen grundsätzlich Brot dazu aß (auch zu Nudeln usw.). Und die Abende waren auch sehr schön, denn beim gemeinsamen Einkaufsbummeln und Fußball schauen mit Freunden (Bayern gegen Lyon; natürlich Zündstoff!) lernten wir die gegenseitigen Kulturen noch besser kennen. Wir hatten sowohl bei der Arbeit als auch in der Schule und daheim eine grandiose gemeinsame Woche. Es ist eine großartige Möglichkeit, um in Übung zu bleiben und gleichzeitig Kontakt nach Frankreich aufzubauen. Ich bin sehr froh, dass ich in einem Ausbildungsbetrieb beschäftigt bin, in dem solche Unterfangen positiv aufgenommen werden. Sowohl meine Ausbilderin als auch die Fachabteilung war sehr kooperativ und aufgeschlossen.

Voraussichtlich im Oktober/November 2010 gehe ich „zum Gegenangriff über“ und werde Thann unsicher machen. Ich freue mich auf diese Zeit und bin sicher, dass es danach wieder eine Menge zu berichten gibt. Natürlich halte ich euch auf dem Laufenden!

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