Fünf nützliche Tipps für die Installation einer Trübungsmessung

Stefan Vogel, Blue Water - Umweltblog

Kleine Luftblasen – grosser Ärger 

Die Trübungsmessung ist der am häufigste eingesetzte Analyseparameter im Trinkwasser: Niemand weiss genau, wie viele Online-Messstellen es in der Schweiz gibt, es dürften aber über 1000 sein. Dennoch werden bei der Planung aus Unwissenheit und aufgrund von Zeitdruck immer wieder die gleichen Fehler gemacht – diese Fehler kosten nicht nur Zeit und Geld, sondern können im Extremfall auch die Gesundheit und das Leben der Trinkwasserkonsumenten gefährden. Das nachfolgende Beispiel einer Wasserversorgung in einem Bergdorf der Zentralalpen steht für zahlreiche weitere Erfahrungen mit Trübungsmessstellen in der Schweiz.  

Versorgungsnotstand statt Betriebssicherheit 

Der Fall war für den Brunnenmeister klar: Statt für mehr Betriebssicherheit zu sorgen, hatte die Trübungsmessung von Endress+Hauser für einen kleinen Notstand im Bergdorf gesorgt. Mit Beginn der Schneeschmelze zeigte die Trübungsmessung über mehrere Tage Werte von weit über 10NTU an, die Verwurfsklappe blieb offen und der Wasserstand im Reservoir sank auf einen absoluten Tiefststand. Einzig die Löschreserve blieb übrig. Das war seit dem Bau des Reservoirs in den 1950er Jahren so noch nie vorgekommen. Ein Augenschein vor Ort ergab: Glasklares Quellwasser! Und auch das Handmessgerät zeigte einen Wert von 0.26NTU. Das Onlinegerät wies zwar keine Defekte auf, beharrte aber weiterhin auf Messwerten über 200NTU. Wie ist so etwas möglich? 

Die im Markt etablierten Geräte zur Trübungsmessung setzen auf bewährte Technologie – die Lieferanten haben langjährige Erfahrung in der Fertigung von zuverlässiger Technik. Defekte bei neuen Sensoren sind darum sehr selten. Moderne Messgeräte wie die CUS52D verfügen zudem über Selbstdiagnosefunktionen und erkennen Beschädigungen oder Hardwaredefekte. Bei Defekten geben die Geräte aktiv eine Fehlermeldung raus (z.B. in Form eines Fehlerstromes). Auch die Langzeitstabilität der Systeme hat sich dank LED-Technologie und elektronischer Kompensation massiv verbessert, die Intervalle zwischen den Kalibrationen sind darum heutzutage viel länger als noch vor 10 Jahren. In vielen Fällen führen tatsächlich äussere Störfaktoren zu fehlerhaften Messwerten. Doch dazu später mehr. 

Überwachung kritischer Lenkungspunkte 

Die hier thematisierte Wasserversorgung bereitet das Quellwasser mit einer UV-Anlage auf. Der Brunnenmeister hatte die Trübungsmessung aufgrund einer Auflage der kantonalen Behörden nachgerüstet: Ereignisbezogene Laborproben hatten zwei Jahre zuvor gezeigt, dass bei Starkregen Trübstoffe im Quellwasser vorhanden sind. Es ist bekannt, dass bereits geringe Trübstoffe Krankheitserregern als Schutzschilder gegen die UV-Strahlen dienen – die Trübungsmessung dient somit der Sicherstellung der Desinfektion. Oder um es im Fachjargon korrekt zu sagen: Mit der Trübungsmessung wird ein kritischer Lenkungspunkt (CCP) überwacht (siehe auch Richtlinie W13 des SVGW). 

Luftblase oder Partikel? 

Bei einer näheren Betrachtung der fraglichen Messstelle zeigte sich schnell, dass der Zulauf von der Quelle eine Mischung aus Wasser und Luftblasen brachte – ein hörbares Gurgeln in der Zuleitung liess keine Zweifel offen. Zudem waren in der transparenten Bypassleitung für die Onlinemessung einzelne Luftblasen zu sehen. 

Trübungssensoren messen die Streuung des Lichts – und da Luftblasen das Licht ähnlich streuen wie Partikel, führen Luftblasen im Wasser immer zu einem erhöhten Trübungssignal. 

Doch woher stammte die Luft? Bei den Abklärungen vor dem Kauf waren der verantwortliche Ingenieur und der Brunnenmeister von einer vollgefüllten Leitung ausgegangen: Das Reservoir befindet sich rund 50 Höhenmeter unterhalb der Quelle, die Zuleitung bildet im Gebäude einen Siphon, bevor das Wasser entweder in die Reservoirkammern geleitet, oder verworfen wird. Die Probenahme für die Bypassleitung befindet sich im eingestauten Teil des Siphons. Ausserdem sind weder grosse Druck- oder Temperaturänderungen in der Zuleitung oder im Bypass zu erwarten, welche zu einem so starken Ausgasen des gelösten Sauerstoffes führen könnten.  

Mehr als nur ein Punkt auf dem R&I Schema 

Die Frage nach dem Schuldigen ist in solchen Situationen schnell gestellt. In den meisten Fällen hat in solchen Fällen der Messtechniklieferant den schwarzen Peter gezogen – schliesslich zeigt die Messung ja falsche Werte an. Doch so einfach ist es nicht. Die Ursache für solche Probleme liegt oft in einem falschen Planungsprozess

Der Entscheid für einen Messtechniklieferanten wird in vielen Fällen sehr spät gefällt. Das Messstellendesign findet typischerweise erst dann statt, wenn bereits alle Leitungen verbaut sind. Der allgemeine Trugschluss: Die Trübungsmessung sei ja „nur“ ein Punkt auf dem R&I Schema und mit einem Bypass könne das Probewasser an einen beliebigen Ort im Reservoir zum Messgerät geführt werden. 

Komplexe Hydraulik im Zulauf des Reservoirs 

Zudem werden die Leitungen von der Quellfassung ins Reservoir oft stark vereinfacht betrachtet. Tatsächlich sind die Verhältnisse in der Realität sehr dynamisch und komplex – eine hydrostatische Betrachtung greift zu kurz. Die Quellschüttung variiert im Jahresverlauf, die Bedingungen ändern sich darum immer wieder: So kann sich abhängig von der Fliessgeschwindigkeit und der Turbulenz in einer teilgefüllten Leitung ein Luft-Wasser-Gemisch in der Leitung bilden. Dies wirkt sich auch auf die Druckverhältnisse und die Durchflussrate im Bypass aus – auch wenn im Reservoir ein Siphon vorhanden ist. 

Wird die Verwurfsklappe geöffnet, ändern sich die Bedingungen abermals. Im Extremfall entsteht sogar ein Unterdruck in der Transportleitung und die Bypassleitung zur Trübungsmessung leert sich. 

Im hier geschilderten Fall verursachte die geöffnete Verwurfsklappe eine Änderung im Fliessregime. Zusätzliche Turbulenzen in der Leitung und zahlreiche Luftblasen im Wasser waren das Resultat: Der Trübungswert konnte unter diesen Bedingungen gar nicht sinken, auch wenn das Wasser bereits nach einem halben Tag wieder glasklar aus der Quelle sprudelte. Die Steuerung wartete vergeblich auf einen tieferen Trübungswert um die Klappe wieder automatisch zu schliessen. 

Der Umgang mit Unsicherheiten 

Ob die oben geschilderten Probleme auftauchen können, lässt sich leider nicht immer vorgängig klären. Wenn der Messtechniklieferant aber bereits in der Planungsphase involviert wird, kann das Risiko minimiert werden indem eine optimale Leitungsführung und ein robustes Messstellendesign gewählt wird: Es ist wesentlicher einfacher auf einem Plan ein paar Striche neu zu ziehen als einen Anschluss oder die Leitungsführung nachträglich abzuändern. Bereits in der Planungsphase muss darum entschieden werden, ob direkt in der Transportleitung oder in einem Bypass gemessen wird. 

Aufgrund der grösseren Flexibilität zur Probenaufbereitung und der einfachen Zugänglichkeit des Sensors raten wir bei Anwendungen im Quellwasser zu einer Messung im Bypass (es gibt aber Ausnahmen, wo ein Einbau direkt in die Transportleitung im Quellwasser Sinn macht). 

Ist dieser Grundsatzentscheid gefällt, muss der Ort der Probenahme und der Ort der Trübungsmessung definiert werden. Dies muss in Absprache mit dem Messtechniklieferanten und dem Brunnenmeister geschehen – denn es müssen verschiedene Ansprüche gegeneinander abgewogen werden. 

Die Probenahme als Schlüssel zur Messung 

Ein optimales Messstellendesign einer Bypassmessung beginnt bereits mit der Probenahme: Korrekt angewendet kann dies die Anzahl der Luftblasen im Bypass signifikant vermindern und reduziert zudem auch die Menge der Schmutzablagerungen in der Armatur. 

Grundsätzlich gilt: Je kürzer die Bypassleitung und je weniger Bögen desto besser. 

Die Leitungsführung muss so ausgelegt sein, dass Luftblasen den Bypass einfach verlassen können. Zudem darf kein signifikanter Druckabfall über den Bypass stattfinden. Der Durchfluss darf erst nach der Trübungsmessung gedrosselt werden, so können sich Luftblasen bei sauerstoffgesättigtem Wasser erst nach dem Sensor bilden. 

Die fünf Gebote der Bypassführung 

Folgende fünf Punkte müssen bei einer Bypassleitung eingehalten werden: 

  1. Probenahme in einer Steigleitung oder seitlich am tiefsten Punkt des Siphons 
  1. Keine Querschnittsänderungen in der Bypassleitung 
  1. Eine horizontale oder steigende Leitungsführung der Bypassleitung bis zum Sensor (noch besser: bis zum Verwurf des Bypasses) 
  1. Leichtes Eindrosseln des Durchflusses nach dem Sensor 
  1. Freier Verwurf des Bypasses 

Es muss zudem sichergestellt sein, dass auch bei geöffneter Verwurfsklappe genügend Vordruck vorhanden ist, um die Messung mit Wasser zu beschicken. Folgende Daumenregel hat sich bewährt: Der Auslauf der Bypassmessung muss sich mindestens 1 Meter unterhalb der Verwurfsklappe befinden. 

Durchfluss und Trübung – zwei Parameter, eine Gemeinsamkeit 

In Einzelfällen wird die Quellschüttung bereits mit einer Durchflussmessung online gemessen. Das hier eingesetzte Messprinzip (Magnetisch-induktive Durchflussmessung, kurz MID) reagiert ebenfalls auf Luftblasen in der Leitung – eine Analyse der Zeitreihen kann darum vorgängig Hinweise auf ein (jahreszeitlich bedingtes) Luftproblem liefern und so eine zielgerichtete Planung der Messstelle ermöglichen. 

Zudem raten wir unseren Kunden, den Probenfluss zu überwachen. So können problematische Betriebszustände und Fehlmanipulationen einfach erkannt werden: 

  • Der Vordruck in der Transportleitung ist nicht konstant, in Extremfällen kann dies dazu führen, dass das Wasser im Bypass nicht mehr fliesst 
  • Luftblasen stören nicht nur die Trübungsmessung, sondern auch die Durchflussmessung – anhand der beiden Messsignale kann darum ein Luftproblem auch aus der Ferne anhand der Messdaten erkannt werden 
  • Es kann vorkommen, dass nach regulären Wartungsarbeiten der Bypass geschlossen bleibt 

Weniger Mehraufwand bei sorgfältiger Planung 

Im Fall vom oben vorgestellten Beispiel waren aufwändige Nachrüstungen notwendig: Der Brunnenmeister musste eine neue Probenahme für die Bypassleitung setzen und die Bypassleitung neu verlegen. Ein zusätzlicher, vertikal durchströmter Überlauf erlaubte nun eine vollständige Entgasung des Probewassers. Aufgrund des zusätzlichen Platzbedarfs musste der Brunnenmeister die komplette Messstelle versetzen und eine Pumpe nachrüsten (nur so konnte ein kontinuierlicher Probenfluss auch bei offener Verwurfsklappe gewährleistet werden). 

Die Zusatzkosten für die Wasserversorgung bewegten sich letztlich in einem ähnlichen Rahmen wie die Anschaffungskosten der Trübungsmessung – und dies obwohl Endress+Hauser eine Gutschrift für die zusätzlichen Serviceeinsätze der eigenen Techniker erstellte. 

Der Preis ist alles 

Die Luftprobleme wären zwar auch bei einer sorgfältigen Planung aufgetreten: Der Mehraufwand für alle Beteiligten hätte aber weitaus geringer gehalten werden können, wenn die Installation nicht geändert hätte werden müssen. 

Leider wird bei der Anschaffung von Trübungsmessungen oft um jeden Franken gefeilscht. Der Preis ist nach wie vor das wichtigste Zuschlagskriterium. 

Sinnvolle Features wie eine Durchflussüberwachung der Bypassleitung oder eine Ultraschallreinigung werden in der Angebotsphase geopfert, um den Zuschlag für den Auftrag zu erhalten.  

Im besten Fall funktioniert diese „schlanke“ Version einer Messstelle, die Wasserversorgung hat dann tatsächlich das günstigste System gekauft und ein paar hundert Franken an Investitionskosten eingespart. Sind dann aber ungeplante Nachrüstungen notwendig, sind die Kosten dann um ein Vielfaches höher als der ursprüngliche Mehrpreis. 

Im oben genannten Beispiel hatten wir uns dank einem um 300 Franken günstigeren Angebot gegen die Konkurrenz durchgesetzt. Der Betreiber und wir als Lieferant mussten einen teuren Preis dafür bezahlen. 

Ursachen für Luftblasen 

Im Wasser sind immer auch gelöste Gase vorhanden (mehrheitlich Stickstoff und Sauerstoff). In kaltem Wasser lässt sich eine grössere Menge an Gasen lösen als in warmem Wasser. Wird mit Gasen gesättigtes Wasser erwärmt, bilden sich kleine Blasen im Wasser. 

Ein ähnliches Phänomen tritt bei Druckänderungen auf: Unter hohem Druck lässt sich viel Gas im Wasser lösen. Der Effekt ist von Mineralwasserflaschen bekannt: Beim Öffnen nimmt der Druck schlagartig ab, das gelöste CO2 (Kohlensäure) gast schlagartig in Form von kleinen Gasblasen aus. 

Oft bleiben diese kleinen Blasen an Oberflächen wie beispielsweise einem Trübungssensor haften. In solchen Fällen hilft eine Ultraschallreinigung: Die Vibrationen sorgen dafür, dass sich die Luftblasen lösen und mit dem Durchfluss weggetragen werden. 

Autor: Stefan Vogel

2 Kommentare

  1. Mira Webers

    Schön, dass du dieses sehr komplexe Thema so verständlich aufgearbeitet hast. Am Preis einer solchen Anlage sollte man wirklich nicht sparen, damit man wirklich gute Wasseranalysen erhält. Das Thema wird auch Zukunft immer wichtiger werden, wegen des immer weniger werdenden Süßwasseraufkommens.

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    1. Evelyne Bonvilain (Beitrags-Autor)

      Danke für den Kommentar. Die Zukunft hält tatsächlich viele Herausforderungen für die Wasserversorgungen bereit.

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